Leben & Kultur
11.11.2006
Sindelfingen: Ungarischer Abend mit dem Pianisten Attila Kálmán im Chorherrenhaus
Von unserem Mitarbeiter Christoph Martin Hauff
Seit 1990 haben die Ungarn ihr angestammtes Wappen wieder im weißen Mittelfeld der Trikolore, mit Stephanskrone, Doppelkreuz und Querstreifen anstelle des verhassten Hammer und Sichel-Emblems, und diese Fahne hängt nicht sonderlich groß, jedoch unübersehbar über dem ungarischen Abend, den Interkultur Sindelfingen im Chorherrenhaus veranstaltet.
Der Raum wird rappelvoll, Sitzplätze sind Mangelware, aber zur Not sind noch Treppenstufen da, wenn Christa Habisreitinger, 1. Vorsitzende, den Vierklang Musik, Literatur, Sprache und Musik eröffnet. In der Küche und für die Küche stehen Sofie Huber und Eva Scheuring mit köstlicher Gulasch-Suppe in zwei Varianten, mittelscharf und scharf, sowie vorzüglichen Mohn- und Nussbeugel. Váczi Anikó leitet den vergnüglichen Sprachkurs "Fünf Minuten Ungarisch für Ahnungslose". Aber von wegen ahnungslos: Die Antworten auf ihre Fragen mit typischen madjarischen An-, Mittel- und Endlauten wie gy, sz, cs und ny prasseln im Sekundentakt. Kein Wunder: Der Raum ist voller Ungarnfans, solchen, die daher kommen, solchen, die in den Ferien gerne hinfahren. Melancholie des Markknochens Judit Seitter liest aus "Die Melancholie des Markknochens", einem ungarischen Restaurantführer aus dem Jahre 2002, dessen Autor sich nicht sehr glücklich Robin Food nennt, eigentlich Gotthard B. Schicker heißt und den Pester Lloyd herausgibt. Wen wundert's, dass er sich im Paprika-Land bestens auskennt und entsprechende Empfehlungen aussprechen kann, die auch das mitzitierte hochberühmte "Gundel" und dessen Chef Káróly betreffen. Den Hauptteil des Abends freilich, qualitativ wie quantitativ, gestaltet Attila Kálmán. Er beginnt mit Béla Bartók, zunächst ein Abend auf dem Land, ein Stück, das vorwiegend in seiner Orchesterfassung bekannt ist, und dem Bärentanz. Danach kommen sechs Titel aus den Kinderstücken für Klavier, drei "Consolationen" von Franz Liszt, sowie eine "romantische Stilkopie" des 1967 geborenen Ferenc Kapi-Horváth. Der Komponist, ein Studienkollege Kálmáns, hat ihm als "Wichtel"-Geschenk im Alter von 16 Jahren dieses mit Schumannschen Auf- und Abschwüngen hochdekorierte Stück gewidmet. Der Haupttreffer kommt nach der Pause: die gewichtigen "Marosszéker Tänze" des Zoltán Kodály. Attila Kálmán gesteht vorab, er komme mit dieser Klavieradaption an die Grenzen seines pianistischen Könnens, meint damit allerdings in typisch ungarischer Höflichkeit die Grenzen des vorhandenen Klaviers. Für solche klavieristischen Glanzleistungen wäre äußerst hilfreich, wenn ein wohlgesonnener Sponsor, es darf auch eine Sponsorin sein, dem Chorherrenhaus und der darin beheimateten Interkultur ein Klavier schenkte. Quelle: |